Sisters DV Bern

Sisters Domestic Violence and Abuse Berne

Das Peer-to-Peer-Support Pionierprojekt wurde mit dem Ziel gegründet, einen Raum für Betroffene intimer Partnergewalt zu schaffen, in dem sie sich über das Erlebte austauschen und sich gegenseitig unterstützen können.

Projekt von

Anne

Award-Teilnahme

2024, Hauptgewinn

Impressionen

Flyer der Sisters DV Bern
Rückseite des Flyers der Sister DV Bern

Interview

Was hat euch zu diesem Projekt inspiriert?

Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz 19'978 Straftaten im Bereich häusliche Gewalt polizeilich erfasst. Die Dunkelziffer ist enorm. Jedes Jahr sterben in der Schweiz rund 25 Frauen durch einen Feminizid, beziehungsweise durch die Tötung durch den Ehemann, Partner oder Ex-Partner. Hinter diesen Ereignissen stecken meist keine «Familiendramen» oder «Beziehungsdramen», wie es oft in den Medien präsentiert wird, sondern systematische jahrelange psychische und physische Gewalt sowie Missbrauchs-, Macht- und Kontrollmechanismen, ausgeübt durch eine Person (meist ein Mann) gegen eine andere (meist eine Frau).

Die meisten Opfer von Gewalt in einer Paarbeziehung erstatten keine Anzeige bei der Polizei. Oft dauert es sehr lange, bis sie überhaupt realisieren und benennen können, dass sie Opfer von intimer Partnergewalt sind oder gewesen waren. Aufgrund der Scham und Isolation haben betroffene Frauen grosse Schwierigkeiten, sich Hilfe zu suchen. Ehrliche Gespräche mit Freund*innen und Familie sind oft unmöglich. Die physischen, psychischen, sozialen und gesellschaftlichen Folgeschäden sind enorm.

Peer-to-Peer-Unterstützung hat das Potenzial, Betroffene aus ihrer Isolation zu holen. Sie kann lebensrettend und heilend sein und sie wirkt der faktischen und gefühlten Isolation der Betroffenen entgegen.

Welche Vision habt ihr für das Projekt?

Sisters Domestic Violence and Abuse Bern ist ein Peer-to-Peer-Support Pionierprojekt, das mit dem Ziel gegründet wurde, einen Raum für Betroffene intimer Partnergewalt zu schaffen, in dem sie sich über das Erlebte austauschen und sich gegenseitig unterstützen können. Im Rahmen von Sisters DV soll ein schweizweites Netzwerk von Betroffenen Frauen (+INA* Personen) kreiert werden.

Was ist die genaue Projektidee?

Im Rahmen von Sisters DV Bern werden jeden zweiten Freitagabend Treffen organisiert, an denen sich Frauen (+ INA* Personen), die von intimer Partnergewalt betroffen sind, austauschen können. Durch das Erkennen von Parallelitäten der Kontroll- und Machtmechanismen, welche Täter intimer Partnergewalt anwenden, wird die Isolation und Scham der Betroffenen durchbrochen. Sie können das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung stärken und durch eine solidarische Gemeinschaft ihre persönlichen Ressourcen aktivieren. Es wird die Möglichkeit geboten, Fähigkeiten und Bewältigungsstrategien auszutauschen und Themen wie geteilte Elternschaft mit Gewalttätern, Gewaltdynamik, Missbrauch, Wut, Schuldgefühle, Trauer zu diskutieren. Reflektiert werden aber auch Geschlechterrollen und die oft mangelnden oder problematischen Reaktionen des Umfeldes der Betroffenen. Die Frauen (+INA* Personen) werden in der Beendigung ihrer Gewaltbeziehungen unterstützt.

Die Solidarität innerhalb der Gruppe bietet Schutz vor Verzweiflung. Das Trauma der erfahrenen Gewalt isoliert, während die Gruppe ein neues Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt.

Wie wurde das Projekt umgesetzt?

Das Projekt hat mit der Gründerin Anne im Oktober 2022 begonnen. Sie ist selbst Überlebende einer gewaltvollen Beziehung. Zwei Jahre nach der Trennung hat sie sich während dem Medienwahnsinn zum Amber Heard/Johnny Depp Prozess mehr denn je einen Zufluchtsort und Austausch mit anderen Betroffenen gewünscht. Wut und zunehmendes Wissen über die Umstände genderspezifischer Gewalt weltweit und in der Schweiz weckten den Drang, dies in Tat umzusetzen. So hat sie auf Selbstkosten hin Flyer und Poster gedruckt, einen Raum im Stadtzentrum von Bern gemietet und einen Instagram Account gegründet, in der Hoffnung, möglichst viele Betroffene zu erreichen. Das schweizweite Kollektiv Offensiv gegen Feminizide (OGF) hat sie in diesem Prozess unterstützt, und bei der Erstellung des Konzeptes und beim Flyern geholfen. Es sind 8 Menschen an das erste Treffen gekommen. An diesem Abend hat sich eine Gruppe gebildet, welche seither zu einem Kollektiv und später im Juni 2023 zu einem Verein geworden ist.

Was ist für die Zukunft des Projekts geplant?

Das Projekt soll nach Möglichkeit in den nächsten Jahren skaliert werden. Ziel ist es, unter dem Namen des Vereins, weitere Peer-to-Peer Support Gruppen in anderen Schweizer Städten zu fördern und ein wachsendes Netzwerk für Betroffene zu schaffen. Das Peer-to-Peer Konzept soll gewaltpräventiv wirken, Solidarität untereinander stärken und eine gemeinsame Heilung möglich machen.

Was ist ein Highlight des Projekts?

Der schönste Satz, der einmal gesagt wurde, war «unsere Treffen sind das Beste, das mir dieses Jahr passiert ist».

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